"Hannover, this is one of the greatest Shows we ever had!" - Warum das einzige Konzert von Eminem in Deuschland trotz hohler Phrasen ein historisches Ereignis war:
Als "das Hip-Hop Event des Jahres" wurde das Open
Air auf dem Messegelände der niedersächsischen Landeshauptstadt
monatelang glorifiziert. Anlässlich Eminems Rückkehr nach
fünfzehnjähriger Deutschland Abstinenz waren 75.000 Karten binnen weniger Augenblicke vergriffen. Wer keine
Eintrittsberechtigung für das Spektakel ergattern konnte, musste sich
entweder damit abfinden oder Unsummen auf dem Schwarzmarkt zahlen und
gleichzeitig eine Fälschung riskieren.
Für
alle glücklichen Kartenbesitzer aus ganz Deutschland wurde Hannover nun zu einer regelrechten Pilgerstätte. Mitte Juli könnte man dabei mit
perfektem Open Air Wetter rechnen, stattdessen wurde man vom prasselnden
Regen empfangen, der den ganzen Tag lang anhalten sollte. Ich hatte
definitiv schon in fröhlichere Gesichter gesehen. Die getrübte
Grundstimmung schien allerdings dazu beigetragen zu haben, dass sich
selbst vor einem Konzert des Rapgottes gesittet benommen
wurde. Vielleicht lag das aber auch am generell höheren
Durchschnittsalter der Fans und der gleichzeitigen Diversität im
Publikum. Dieses durchlief nämlich jegliches Zeitalter der Hip-Hop
Kultur und zog sich gleichzeitig durch alle Gesellschaftsschichten. Dass ich in wenigen Stunden den Interpreten meiner
ersten Rap-Platte live auf der Bühne sehen würde, begriff ich immer noch
genauso wenig, wie in dem Moment, als ich es durch den Vorverkauf
mitsamt einer Karte geschafft hatte. Um 16 Uhr begann, zwar mit etwas
Verzögerung, da die Kartenlesegeräte ebenfalls gründlich nass geworden
waren, endlich der langersehnte Einlass. Die zuvor angekündigten
strengeren Einlasskontrollen gestalteten sich zwar eher lasch, aber um
ehrlich zu sein hatte hier niemand Lust großartig viel Zeit damit zu
verbringen, seine geöffnete Tasche länger als nötig im immer noch
anhaltenden Regen durchwühlen zu lassen. Lediglich der Einsatz von
Sprengstoffspührhunden verleitete zur Annahme, nicht auf einer
gewöhnlichen Veranstaltung zu sein.
Das
Gelände vor der Bühne gliederte sich in Front-Of-Stage-Bereich eins und
zwei, daraufhin folgte der restliche Innenraum. Und dieser füllte sich
außerordentlich schnell, sodass man nach wenigen Minuten bereits das
Gefühl hatte, sich nicht mehr von der Stelle bewegen zu können. Von nun
an hieß es wieder: Warten. Generell hat ein Konzert dieser
Größenordnung besonders viel mit Warterei zu tun, fiel auf. Richtige
Vorfreude war immer noch Fehlanzeige und von diesem besonderen Vibe,
den viele während des "Open Air Frauenfeld", auf dem Eminem am
Wochenende zuvor auftrat, beschrieben haben, spürte man ebenfalls
nichts. Aber Kopf hoch, das kommt mit Sicherheit noch.
Nach einer kurzen Sicherheitsbelehrung seitens des Veranstalters begann das langersehnte Bühnenprogramm. Royce 5'9" und 2 Chainz spielten jeweils zwei kurze und dabei auch relativ ermüdende Sets. Mit Stimmung einheizen hatte das jedenfalls nicht viel zu tun. Die Versuche, das Publikum zum Mitmachen zu animieren, scheiterten. Vorwerfen konnten man ihnen das allerdings nicht, schließlich wollte hier jeder Eminem, und auch wirklich nur Eminem, sehen.


Die unangefochtenen Publikumslieblinge unter den Songs kristallisierten sich im Laufe des Konzertes deutlich heraus. Bestes Beispiel dafür: Rap God. Einmal angefangen zu flowen, gab es auf dem gesamten Messegelände kein Halten mehr. Die faszinierten Rufe aller übertönten Eminem förmlich und zauberten einem ein sehr breites Grinsen ins Gesicht. Den Legendenstatus hatte er immer noch berechtigt inne, jedoch machte er wenig später seinem gleichzeitigen Frust diesbezüglich Luft. "Kids call me a God, this is retarded." - heißt es in Walk on Water.
Abgesehen davon, dass sein Backup Rapper Kon Artis sämtliche Interaktion mit dem Publikum übernahm (geboten wurden lediglich drei deutsche Wörter, darunter "Freifick", "Scheiße" und Muschi", die Eminem bereits 2009 in einer TV Total Show aufsagte) und von einigen Songs bedauerlicherweise nur die erste Strophe zum Besten gegeben wurde, konnte die Show dennoch überzeugen.
Statt kläglichen Rufen nach einer Zugabe, während die gesamte Entourage die Bühne verließ, verlangte die Menge selbstsicher nach "Lose Yourself", was daraufhin auch selbstverständlich als krönender Abschluss folgte. Nach dem anfänglichen Piano Solo stellten sich einem sämtliche Haare auf, als der Beat des oscarprämierten Songs einsetzte. Eminem selbst rannte energisch von der einen auf die andere Bühnenhälfte und in Sachen Textsicherheit des Publikums stand dieser Song ganz oben auf der Liste. Schließlich erhellte ein mehrere Minuten langes Feuerwerk ein letztes Mal den mittlerweile finsteren Himmel in Hannover. Eine der besten Shows, die Eminem jemals hatte, war es wohl nicht gewesen, aber für tausende Fans wurde dieser Abend dank vieler nostalgischer Gänsehautmomente einer der schönsten überhaupt..
-Annika