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Montag, 29. Oktober 2018

Modus Mio live in Dortmund - eine Playlist feiert ihr eigenes Festival


Berlin, Dortmund. Am vergangenen Freitag und Samstag feierte Spotifys erstes hauseigenes Festival Premiere. Die Grundlage dafür war die erfolgreichste Deutschrap-Playlist des Streamingdienstes mit aktuell über 850.000 Followern. Ausgewählte Künstler repräsentierten an diesen beiden Abenden einen besonderen Modus: den Modus Mio. In der Dortmunder Warsteiner Music Hall hatte ich die Gelegenheit mir ein Bild dieses Ereignisses zu machen.


Spotify hatte anscheinend keine Kosten und Mühen gescheut, um das wahrscheinlich erste Aufeinandertreffen mit ihren Usern jenseits des Internets so sehr zu glorifizieren, wie nur möglich. So wurden noch im Eingangsbereich Festivalbändchenund kostenlose Poster verteilt, in jeder Ecke hingen Bilder der auftretenden Artists und es gab eine Fotowand, um diesen Tag mit seinen Freunden festhalten zu können. Das alles natürlich in der gelblich-orangenen Titelfarbe der Playlist.

Doch auch das Line-Up des Abends konnte sich durchaus sehen lassen. Zur Einstimmung und zwischen den Slots legten Hoe_Mies aus Berlin von Reagge und Dacehall bis zu aktuell erfolgreichem Rap aus den Staaten und Deutschland alles auf. Ansonsten sollten neben dem offiziellen Headliner Rin noch Luciano, Nura, Trettman, Bausa und zahlreiche special guests der Menge einheizen.

Der Innenraum der etwa 3.600 Menschen fassenden Halle füllte sich allmählich und die Show von Bausa rückte in greifbare Nähe. Weshalb ausgerechnet der Künstler mit der höchsten Anzahl an monatlichen Hörern auf Spotify den Startschuss abfeuerte, bleibt ungewiss. Jedenfalls eher untypisch für eine Veranstaltung dergleichen.


Das tat der Stimmung allerdings keinen Abbruch, im Gegenteil. Die ersten Bierbecher flogen durch die Luft und in der Mitte taten sich, neben einer Vielzahl hysterischer Fans, zunächst vereinzelt Moshpits auf. Vielleicht wollte man eben diese auch einfach nicht noch länger auf die Folter spannen. Schließlich harrten einige bereits seit den frühen Morgenstunden vor der Location aus. Viel mehr Zeit als für die absoluten Hits blieb zwar nicht, dafür legte Bausa noch einen drauf und bestellte sich Nura auf die Bühne, um mit ihr den gemeinsamen Track "In Berlin" von seiner Anfang des Jahres erschienenen EP zu performen.


Ganze 56 Wochen mit einer Single in den deutschen Charts gewesen zu sein, wie Bausa mit "Was du Liebe nennst", konnte der folgende Act zwar nicht von sich behaupten, allerdings sorgte Luciano in der jungen Vergangenheit besonders mit hochkarätigen Features wie Capital Bra oder Veysel für Aufsehen. Zwar kam auch bei ihm keine schlechte Stimmung auf, trotzdem kann man darüber streiten inwiefern Full-Playback und eine gelungene Show zusammengehören. Studioversionen kann ich mir nämlich auch Zuhause anhören. Luciano ist natürlich nicht der einzige, der auf bereits recordete Tonträger schwört, wenn man jedoch nach jedem Song betont, wie betrunken man ist, fällt es schnell auf, wenn die Rapimitationen nicht mehr ganz zum Track passen.


Doch der Abend war ja noch jung und die folgenden Acts vielversprechend. Mit Nura kam nun  endlich etwas Leben auf die Bühne, da sie neben drei Tänzern auch Trettmann, Remoe und SAM für ihre gemeinsamen  Tracks im Schlepptau hatte. Dazu nutze sie ihre Zeit um sich für women empowerment und gegen Sexismus stark zu machen. Musikalisch ebenfalls eines der großen Highlights: die Premiere eines Remix von "Chaya", sowie ihren unveröffentlichten und gleichzeitig unironischen Fortnite-Song, um allen Rappern einen Denkzettel zu verpassen, die zwar hypebedingt Fortnite assoziierende Titel für ihre Songs wählen, aber inhaltlich nicht darauf zurückkommen.

Die entspannten Reggae Beats, die in der Zwischenzeit durch die Lautsprecher ertönten, gaben bereits einen ersten Hinweis darauf, wer als nächstes die Bühne betreten könnte: Trettmann. Mit seinem mittlerweile einem Jahr alten Album "DIY" hat er deutschen Hip-Hop geprägt, wie lange vor ihm keiner mehr. Aber neben persönlichen und emotional schwerfälligen Themen wie der Hoffnungslosigkeit eines in Vergessenheit geratenen Teils der Bevölkerung ist Trettmann ebenso ein Synonym für absoluten Turn Up.


Das beweist aktuell kein Werk, an dem er beteiligt ist, mehr als "Standard". Dieser Track stieg nicht nur ganz mühelos auf Platz zwei der deutschen Singlecharts ein, sondern löste einen regelrechten Hype im Internet aus, der auch nach nunmehr zwei Wochen seit Release nicht abzuklingen scheint. Dass "Standard" in der Modus Mio Playlist auf den obersten Rang geklettert ist und dadurch auch an der Menge nicht vorbeigegangen ist, ist dabei logisch. Somit erreichte auch die Stimmung in der Warsteiner Music Hall ihren vorzeitigen Höhepunkt. 



Aber bevor der Headliner des Abends nicht die Bühne betreten hatte, konnte und wollte sich noch niemand auf den Heimweg machen. Rin, der überall wo er auftaucht für hitzige Stimmung sorgt, brauchte auch hier nur wenige Augenblicke, um eine komplette Eskalation des Publikums loszutreten. Selbst Nura traf man plötzlich im Moshpit an, der sich mittlerweile von der einen bis zur anderen Hallenhälfte ausgedehnt hatte. Außerdem stand sie wenig später auf der Bühne, dieses mal allerdings nicht um zu rappen, sondern um zu stagediven. Tatsächlich konnte Nura sich auch recht lange über den Köpfen der Menge halten, bis sie kurz untertauchte und wenig später auf jemandes Schultern sitzend wieder zu sehen war. Bevor sich Rins Auftritt dann wirklich dem Ende zuneigte, spielte er noch ein zweites Mal "Dior2001", da er seine Fans kaum anders gehen lassen könne.

Schlussendlich war Modus Mio live in Dortmund ein voller Erfolg mit Potenzial für noch größere Veranstaltungen. Vielleicht erwarten uns in Zukunft sogar mehrtägige Open Air Festivals, basierend auf jeglichen Spotify Playlists. Das was früher Radios als wesentliche Meinungsbildner auf die Beine gestellt haben, übernimmt demnächst also ein Global Player der Musikindustrie. Und auch wenn das viele neue Möglichkeiten bietet, sollte man dennoch genau abwägen, inwiefern die Selektion eines Streamingdienstes Chancengleichheit und musikalische Vielfalt garantieren kann. Der Appell sollte also sein auch weiterhin über den Tellerrand des Marktführers zu blicken, um die Relevanz von Künstlern nicht an der Anzahl ihrer Platzierungen in Playlists abhängig zu machen, sondern an ihrer legacy. In diesem Sinne: support your local artists!

Fotos: Basti Mowka & Rebecca Ruetten




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